Monika Riedel, Olga Nikol und Dr. Astrid Betz sitzen an zwei Tischen und sprechen über das Valka-Lager.

Monika Riedel und Olga Nikol

Zeitzeuginnen-Gespräch zum Valka-Lager

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Die Valka-Lager, die nach dem Krieg in Nürnberg-Langwasser standen, sind nicht unbedeutend für die Nürnberger Stadtgeschichte. In den Lagern wurden sogenannte Displaced Persons – zu Deutsch: heimatlose Ausländer*innen – untergebracht. Obwohl im Lager teilweise schlechte Zustände herrschten, wurden die Unterkünfte Anfang der Fünfzigerjahre erweitert: um Steinbaracken, die weitere 1.600 Menschen aus dem Ausland beherbergen sollten. In einer dieser Steinbaracken haben die Zeitzeuginnen Monika Riedel und Olga Nikol gelebt.

Die späteren Valka-Lager waren während dem Krieg als Gefangenenlager verwendet worden. Davor dienten sie der Unterbringung von Teilnehmer*innen bei den Reichsparteitagen der Nationalsozialist*innen. Die Lager sind nach der in zwei Teile geteilte lettisch-estnischen Grenzstadt Valka benannt worden. Zu Beginn kamen nämlich viele Bewohner*innen aus eben jener Region.

Kindheit um die Valka-Lager

Monika Riedel (geboren 1951) und Olga Nikol (geboren 1952) haben bei einer Veranstaltung im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ein wenig über ihre Kindheit und die Valka-Lager gesprochen. Die beiden Schwestern lebten mit ihrer Familie in einer der Steinbaracken direkt neben den Valka-Lagern. Ihre Erinnerungen sind durchwegs positiv: An das viele Draußensein, das Spielen in den Wäldern und die kleinen Streiche denken die beiden gerne zurück. Die Verhältnisse seien zwar einfach gewesen, der Familie war dennoch ein zufriedenes Leben beschert. Freund*innen ging es da oft schlechter: Deren Eltern hatten weder Beruf noch Perspektive.

Im Sommer war es üblich, dass Lagerbewohner*innen mit verschiedenen Nationalitäten vor der Haustür saßen und Musik machten. Meistens lebten die Menschen in den Lagern alleine – viele davon waren Männer. Die Familie von Monika Riedel und Olga Nikol war da eine Ausnahme.

Der Nikolaus kam mit dem Hubschrauber

Mit Hilfsprogrammen versuchte man, die Kinder in den Lagern ein wenig zu unterstützen. An Weihnachten wurden Riedel und Nikol zum Beispiel von amerikanischen Soldaten abgeholt und in einen großen, mit Christbäumen geschmückten Saal geführt. Zu der Zeit hatten die Geschwister sowas noch nie gesehen. Und plötzlich sollten alle Kinder auf den Landeplatz. Denn der Nikolaus kam – mit dem Hubschrauber. Auch an das ausladende Buffet erinnern sich die Schwestern mit Begeisterung.

Schule im Freien

Wenn im Winter keine Kohle zum Heizen da war, fiel die Schule aus. Im Sommer war es dagegen manchmal so heiß, dass der Unterricht ins Freie verlegt wurde. Problematisch war, dass Schüler*innen aus den Lagern bisweilen mit deutschen Kindern unterrichtet wurden: Die Lagerbewohner*innen wurden plötzlich mit Vorurteilen konfrontiert – mit „Ausländern“ werde nicht gespielt, und ähnliches. Dennoch setzten sich manche Lehrer*innen für die gemischte Beschulung ein. Und die wurde von der Presse gelobt.

Auswandern nach Brasilien oder Australien

Der Vater von Monika Riedel und Olga Nikol kam ursprünglich aus Jugoslawien. 1941 sei er nach Wien und daraufhin nach Deutschland gekommen. Über die Gründe für die Ausreise des Vaters wissen die Schwestern nichts. Die Mutter – aus dem Bayrischen Wald stammend – lernte den Vater in Deutschland kennen. Wie viele Displaced Persons wollte auch er nicht dauerhaft in Deutschland bleiben: Lange war geplant, nach Australien oder Brasilien auszuwandern. Die Familie entschied sich am Ende aber dagegen, weil die Mutter hier bleiben wollte. Der Vater arbeitete als Landschaftsgärtner, die Mutter bei einer Druckerei. Die Arbeit sei für die beiden ein großes Glück gewesen.

1960 wurde schließlich damit begonnen, das Lager langsam aufzulösen. Daraufhin wanderten viele Freund*innen der Geschwister aus, zum Beispiel nach Amerika. 1964 wurden die Steinbaracken endgültig abgerissen: Monika Riedel und Olga Nikol zogen danach mit ihrer Familie in die Salzburger Straße nach Moorenbrunn – und trauerten ihrem alten Zuhause lange hinterher.

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Autorin: Alina Steigauf