Menschen demonstrieren in Washington D.C. dagegen, dass Abtreibungen verboten werden sollen.

Kommentar

My body, my choice? Nicht im Land der begrenzten Möglichkeiten

/ / Foto: Shutterstock/Rena Schild

Ein Dokument des Supreme Courts zeigt, dass die Richter*innen überlegen, das Urteil „Roe vs. Wade“, das bisher Abtreibungen in den USA regelt, zu verbieten. Wenn das geschieht, hätte in einigen Bundesstaaten manche Leiche mehr Rechte als eine Frau.

Ein Kommentar von Laura Feuerlein

Eine Welle des Entsetzens brach los, als das amerikanische Magazin Politico ein Dokument leakte, aus dem hervorging, dass das oberste Gericht der USA plant, „Roe vs. Wade“ zu kippen. Das Urteil garantiert Frauen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten einen zeitlich ausreichenden Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Wenn der Supreme Court dieses Urteil zurücknimmt, geht die Entscheidung, wie mit Abtreibungen zukünftig verfahren wird, an die Bundesstaaten. Das wäre, in Anbetracht der Vielzahl republikanischer Staaten, fatal. Die Republikaner*innen sind die konservative Kraft der USA. Der Einsatz für den Schutz von Frauenrechten steht demnach nicht auf ihrer Agenda.

Lebensgefahr durch Abtreibungsverbot

Die Organisation Planned Parenthood, die über Abtreibungen informiert und diese auch durchführt, schätzt, dass etwa 36 Millionen Frauen in 26 Staaten einen massiv eingeschränkten Zugang zu Abtreibungen hätten, wenn das Urteil aus den 70ern gekippt wird. In vielen Staaten gäbe es nicht einmal Ausnahmen, wenn die Schwangerschaft durch Inzest oder eine Vergewaltigung entstanden ist. Ob Beschränkungen und Verbote zu weniger Abtreibungen führen würden, ist fraglich. Wozu das Einschränken bzw. das Verbot auf körperliche Selbstbestimmung führt, sind illegale Abtreibungen. Diese werden dann unter mangelnden Hygienebedingungen von nicht geschultem Personal durchgeführt. Somit steigt die Lebensgefahr für die Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen möchten. Das Argument, durch ein Abtreibungsverbot also Leben schützen zu wollen, ist demnach ein sehr fadenscheiniges.

Was sogenannte „Pro-Lifer“, also Personen, die gegen Abtreibung sind, nicht bedenken, ist, dass sie durch den vermeintlichen Schutz des ungeborenen Lebens, andere Leben zerstören können. Häufig lassen Frauen Abtreibungen durchführen, die bereits Kinder haben. Ein Kind mehr kann die wirtschaftliche Situation einer Familie massiv verschlechtern, denn sie sind teuer. Somit könnte aufgrund verwehter Abtreibung eine Familie unter die Armutsgrenze fallen. Die sozialen Sicherungsnetze sind im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ja bekanntlich begrenzt. Politiker*innen, die Abtreibungen verbieten, sind in den meisten Fällen auch jene, die staatliche Hilfen verteufeln. Somit wollen diese das Leben nur schützen, solange es sich im Mutterleib befindet. Was danach damit passiert oder wie das Leben anderer davon betroffen ist, ist offensichtlich egal.

Menschen demonstrieren vor dem Supreme Court in den USA gegen ein Entwurf eines Urteils, das die Abtreibungen regeln soll.
Nachdem der Entwurf des Urteils aufgetaucht war, demonstrierten viele Menschen vor dem Supreme Court. Foto: Shutterstock/Stephanie Kenner

Bye bye, körperliche Selbstbestimmung!

„Roe vs. Wade“ hat Frauen bisher ein Mindestmaß an körperlicher Selbstbestimmung garantiert. Wenn das Urteil zurückgenommen wird, können viele Frauen nicht mehr über ihren Körper entscheiden. Das übernimmt dann automatisch der Staat. Wenn es bei hirntoten Menschen darum geht, ob diese ihre Organe spenden, dürfen das die Personen selbst entscheiden. Oder falls zu Lebzeiten keine Angaben gemacht wurden, eben die Angehörigen. Wenn „Roe vs. Wade“ fällt, hat in den USA also bald eine Leiche mehr Rechte als eine Frau.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob es bei dem Verbot von Abtreibung wirklich um den Schutz des Lebens geht. Oftmals erwecken die überwiegend männlichen Politiker, die das fordern, den Eindruck, dass es um Macht geht. Kein anderes Gesetz bzw. Verbot schränkt den Körper eines Mannes in vergleichbarer Weise ein. Auf einer Demonstration in den USA war kürzlich ein Schild zu sehen, auf dem steht: „Wenn Männer schwanger werden könnten, gäbe es mehr Abtreibungskliniken als Starbucks.“

Es ist wenig überraschend, dass Abtreibungen ein umstrittenes Thema ist. Dass ab einem gewissen Zeitpunkt auch Einschränkungen her müssen, erscheint auch vielen Liberalen verständlich. Grundsätzlich sollte für Frauen gelten: Wenn ihr keine Abtreibung wollt, dann lasst keine durchführen. Und für Männer: Wenn ihr gegen Abtreibungen seid, lasst eine Vasektomie durchführen.

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