Lara Ermer sitzt auf dem grauen Redaktionssofa vor dem max neo-Banner.

Interview

Lara Ermer – vom Blümchennotizbuch zum Poetry Slam

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Bald ist es soweit – SLAM! 2021, die deutschsprachige Meisterschaft im Poetry Slam, steht an. Diesmal hier in Nürnberg. Als offizieller Medienpartner der Meisterschaften gibt’s auf max neo Interviews mit verschiedenen Slammer*innen. Außerdem übertragen wir natürlich die Finals der Einzel- und Teamwettbewerbe live aus der Meistersingerhalle. Slammerin und Comedienne, Lara Ermer, ist schon bei uns zu Gast gewesen und hat uns einige spannende Fragen beantwortet.

Weg zum Poetry Slam

Lara, wie bist du denn überhaupt zum Poetry Slam gekommen?

Tatsächlich habe ich schon immer geschrieben. Ich war dieses kleine Mädchen mit dem Blümchennotitzbuch auf dem Pausenhof, das Gedichte geschrieben hat. Dementsprechend wenig Freunde hatte ich und es war nachvollziehbar. Das hat sich dann weiterentwickelt. Ich habe als Jugendliche auch in den Journalismus ein bisschen reingeschnuppert und dann aber festgestellt: Ne, es ist die kreative Arbeit, die mir liegt. Dann haben Leute gesagt: „Ey, mach doch mal dieses Poetry Slam!“ Deshalb bin ich aufgetreten und habe meinen ersten Slam gleich gewonnen. Dann hatte ich Blut geleckt und habe nie wieder damit aufgehört.

Ich habe gehört, dass es in der Slammer*innen-Szene nicht immer so nett zugeht. Wie würdest du denn die Poetry Slam-Szene beschreiben?

Tatsächlich super nett. Also, das ist ein wahnsinnig familiärer Umgang. Natürlich ist es wie in jeder Szene auch. Wir sind eine Mischung an Menschen. Natürlich gibt’s da auch Leute, mit denen ich nicht auskomme. Aber das Erlebnis Slam-Szene ist schon, dass da ganz, ganz viele Menschen einfach das gleiche verrückte Hobby haben. Nämlich quer durch Deutschland zu fahren, um auf Slams aufzutreten, wo man dann teilweise nur sieben Minuten Bühnenzeit hat. Das heißt, man sitzt teilweise vier Stunden im Zug, um sieben Minuten aufzutreten. Und alleine dieser Umstand knüpft schon ganz neue Freundschaften. Man steht sich gegenüber und weiß, wir sind beide gleich wahnsinnig. Ich liebe das Umfeld sehr.

Weshalb hast du Psychologie studiert und nichts in Richtung Lyrik, Germanistik etc.? Das würde auf den ersten Blick besser zu deinem jetzigen Job als Slammerin passen.

Ich mag genau die Mischung sehr gerne. So sehr ich kreativ bin und das auch brauche, genauso sehr liebe ich Naturwissenschaft und genauso sehr liebe ich Fakten. Meine Freund*innen lachen immer sehr doll über mich, weil immer, wenn ich was nicht verstehe oder nicht kenne, google ich es sofort und lerne es. Deswegen war das naturwissenschaftliche Psychologie-Studium schon auch ein fantastisches Gegengewicht zur kreativen Arbeit.

Künstlerin sein als größter Erfolg

Du hast ja dieses Jahr den erstmals veranstalteten Kabarett-Nachwuchs-Preis »Vereinsmeisterschaft« des Bayerischen Rundfunks gewonnen. Was würdest du selbst als den bisher größten Erfolg deiner Karriere bezeichnen?

Ich glaube, mein größter Erfolg ist – auch wenn’s eine langweilige Antwort ist – tatsächlich davon leben zu können. Also, dass ich momentan hauptberuflich Künstlerin bin und einfach meinen großen Traum leben darf. Nämlich vom Schreiben und vom Auftreten leben zu können. Das ist ganz wahnsinnig. Wenn man das meinem 13-jährigen Ich erzählen würde, würde es in Ohnmacht fallen. Ich glaube, das ist jeden Tag so, dass ich mir denke: „Krass, wie habe ich’s hier nur hingeschafft?“

Am 9. Oktober ist das Finale der deutschsprachigen Meisterschaften im Team Poetry Slam hier in Nürnberg. Du kämpfst zusammen mit Teresa Reichl im Team „Es kann nur beide geben“ um den Sieg. Wie schätzt du denn eure Chancen ein?

Also es ist, wie immer beim Poetry Slam, dass es ganz, ganz viel mit dem Zufall zu tun hat. Also zum Beispiel die Startreihenfolge wird ausgelost. Und ob man als erstes Team auftritt oder als Letztes, macht einen ganz großen Unterschied. Deswegen: Um die Chancen geht’s uns gar nicht so. Wir haben einfach Bock, gerade auch nach der Pandemie, endlich wieder auf einer schönen großen Bühne zu stehen. Teresa und ich sind ein Team, das vor allem daraus besteht, sich gegenseitig komplett abzufeiern. Und wir haben einfach Bock! Wir sind uns zu hundert Prozent sicher, dass wir einen fantastischen Auftritt hinlegen werden, der uns Spaß macht und dem Publikum auch. Dann werden wir weitersehen!

Ein großer Traum wird wahr

Letzte Woche ist dein allererstes Buch „Ein offenes Buch: Von idealen Körpern, perfektem Sex und anderen Mythen“ rausgekommen. Wie ist das Gefühl, dass dieses Buch jetzt endlich veröffentlicht ist?

Ganz, ganz, ganz verrückt. Also, ich habe schon immer davon geträumt, mal ein Buch zu schreiben. Ich hätte nicht gedacht, dass mein erstes Buch ein Buch über Sex wird, muss ich ganz ehrlich sagen, und das war so das erste Verrückte an dem Ganzen. Dass ein großer Verlag auf mich zugekommen ist und mich gebeten hat, ein Buch zu schreiben, war so der zweite Ohnmachtsanfall der ganzen Geschichte. Und dann dauert das ganz lange, bis so ein Buch wirklich auf dem Markt ist. Ich hatte mit der Zeit auch schon verdrängt, dass Leute das dann auch noch lesen werden. Das ist jetzt gerade so der Prozess, dass die ersten Menschen mir erzählen, wie sie das Buch so finden. Also alles ganz verrückt. Es ist ein echtes Buch!

Im Vorwort deines neuen Buches schreibst du: „Trotzdem wäre es gelogen zu sagen, dass ich mich nicht manchmal gefragt habe, ob ich zu weit gegangen bin.“ Es geht um private Themen, beispielsweise um Menstruation oder Sex. Was ist deine Motivation, solche Texte zu teilen bzw. so ein Buch zu veröffentlichen?

Ehrlich gesagt ist das der Tonfall, den ich mit meinen Freund*innen führe. Mit dem haben wir einfach gelernt, besser mit unseren Körpern umzugehen. Ich merke, seit ich diesen Freundeskreis habe, mit dem ich sehr offen über all diese Themen reden und vor allem eben lachen kann, geht’s uns allen mit uns selbst auch besser. Das fand ich so schön. Also habe ich Schritt für Schritt angefangen, eben erstmal auf Bühnen über sowas zu sprechen. Dann kamen echt junge Mädchen auf mich zu, die erzählt haben, dass sie jetzt miteinander Menstruationspartys feiern. Aber auch Seniorinnen, die gesagt haben, dass sie auf ihre alten Tage nochmal was lernen und sich selbst mehr annehmen können, und das bedeutet ihnen ganz viel. Wirklich von jung bis alt, Menschen aller Geschlechter, die gesagt haben, das hilft ihnen. Und dann dachte ich: „Okay, ich glaube dass ist vielleicht wirklich was, was Leute weiterbringen kann.“

Das Interview führte Rebecca Zweigle.

Mehr zum SLAM! 2021 erfahrt ihr hier.

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