Das Albumcover "Liebe auf Eis" von Il Civetto zeigt ein Eis am Stil.

Album der Woche

IL Civetto mit „Liebe auf Eis“

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In einer Berliner U-Bahn fing 2010 alles an. Spontan starteten die Jungs eine Jamsession und brachten dabei den Waggon für zwei Stationen zum Beben. Die Security wurde kurzerhand mit Döner bestochen. Und die Band IL CIVETTO war geboren. Jahre später haben sie jetzt ihr viertes Studioalbum „Liebe auf Eis“ rausgebracht.

Nach Auftritten in bekannten Berliner Szeneclubs wie Kater Holzig und Sisyphos nahm die Band 2015 mit Hilfe einer Crowdfunding-Aktion ihr erstes Album „IL CIVETTO“ auf.

Bunter als Berlin

Die Mitglieder der Berliner Band lassen sich von ihren Reisen inspirieren und verarbeiten diese Eindrücke in ihrer Musik. Fusion Pop beschreibt am besten ihren Musikstil. Denn global ist er auf alle Fälle und besticht mit einem gewissen Tiefgang. Ein verrückter Mix aus Balkanmusik, Folk und Swing.

Ihre Texte: eine wilde Mischung aus Deutsch, Englisch, Französisch, Portugiesisch, Türkisch und Sprachen, die wohl nur IL CIVETTO selbst verstehen. Sie erzählen magische, mystische Geschichten. Plötzlich holen sie einen ab und nehmen einen mit auf eine Reise ins Unbekannte. Und sind dabei nicht unkritisch.

IL CIVETTO und die Gesellschaft

 Sie gehen mit sich und ihrer Umwelt ins Gericht. Sänger Leon Keiditsch sagte bei der Veröffentlichung ihres dritten Albums 2020:

Wir leben in Zeiten des Umbruchs: Seehofer, Trump, Klimawandel. Unserer Generation wird langsam klar, dass sich nicht einfach alles zum Guten wenden wird. Wir müssen unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen.

– Interview mit dem Goethe-Institut

Das machen IL CIVETTO auch, zum Beispiel spielten sie auf einigen Fridays for Future-Demos. Ganz Berliner Schnauze ist auch ihr neuestes Alum „Liebe auf Eis“ kritisch mit der deutschen Gesellschaft: Es thematisiert den Zeitgeist der Generation Y. 

„Liebe auf Eis“

Das neue Album ist globaler: weniger Fusion, mehr Pop. Die Zeiten in der Berliner U-Bahn sind vorbei. IL CIVETTO haben es auf die große Bühne geschafft. Dementsprechend sind die Songs angepasster, verlieren aber nicht ihren Charme.

„Boys do cry“

Zusammen mit Gastsänger Trille werden IL CIVETTO in „Boys Do Cry“ persönlich, hier werden die Geschlechternormen und überkommene Männlichkeitssymbole hinterfragt. Der Songtext setzt ein deutliches Statement gegen das veraltete Konzept der vermeintlichen Härte und bricht mit der Vorstellung, dass Männer ihre Gefühle nicht zeigen sollten. Die Kombination aus Pop-Punk und untypisch-elektronischen Vibes untermalt die eingängige Frage: „Wann hast du das letzte Mal geweint?“

„Blue Hour“

„Blue Hour“ ist eine freudig-nostalgische Reflektion über IL CIVETTOs Vergangenheit, lange sind sie zwischen der blauen Stunde und den lila Wolken im Morgengrauen mit dem Tourbus durch die Nacht gefahren. Sie kommen dabei zu dem optimistischen Schluss: Alles kann sich zum Guten wenden, wenn man die Zweifel loslässt und sich traut!

„Fragen“

Intim wird es in der Ballade „Fragen„. Ein Abschiedssong, den Sänger Leon Keiditsch an seinen viel zu früh verstorbenen Vater geschrieben hat. Wenn er mit gebrochener Stimme „Du fehlst“ singt, bekommt man sofort einen Kloß im Hals.

„Liebe auf Eis“

Der Titelsong „Liebe auf Eis“ setzt auf kraftvolle Bläser*innen, die einen schönen Kontrast zum entspannten Vibe zwischen Reggae und Indie bilden. Es ist eine Hymne auf einen bittersüßen Sommerflirt. Etwas Lockeres, bei dem man schon mal den Namen vergisst, aber nie das Gefühl, diesen Sommertag geteilt zu haben. Denn auch das weht durch den Song: Der Zweifel daran, ob Unverbindlichkeit und Anonymität in einer Stadt wie Berlin wirklich immer so toll sind.

„Alles, was ich hab“

Der Song „Alles, was ich hab„, der gemeinsam mit Seeed-Mitglied Dellé entstand, nimmt die Zuhörer*innen mit auf einen Roadtrip in Richtung Sommer und unbeschwertes Glück. Frontmann Leon Keiditsch, welcher selbst ein großer Fan von Seeed ist, erfüllt sich mit dieser Zusammenarbeit einen kleinen Traum. Der Song erzählt von endlosen Sommernächten und dem Gefühl, mehr im Hier und Jetzt leben zu wollen. Damit betont er auch die Dankbarkeit für die kleinen Dinge im Leben, denn es braucht nicht immer Luxus und Protz, um glücklich zu sein.

fushion live

IL CIVETTO ist eine Band, die man live hören muss. Wer ihre Musik gut findet, wird live begeistert sein. Alle Verrücktheit, die auf der neuen Platte eingeschränkt wurde, machen IL CIVETTO live. Sie sind im Moment auf Tour und kommen auch auch nach Nürnberg, am 9. Mai in den Hirsch.

Unsere weiteren Alben der Woche findet ihr hier.

Autorin: Riccarda Rascher