Das Foto ist ein Porträt des Sängers Justin Bieber.

Vom Anfang der Popgeschichte bis hin zu Justin Bieber

Was die Beatles mit den Musikrechten von Justin Bieber zu tun haben

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„Im Sorry“, „Love Yourself“ und „Stay“. Jeder dieser Justin Bieber-Songs hat die Spitze der Charts erobert. Doch mit keinem dieser Songs wird er in Zukunft einen einzigen Cent mehr verdienen. Der Kanadier hat die Rechte an seinem gesamten Musikkatalog für 200 Millionen Dollar an den britischen Investmentfond Hipgnosis verkauft.

Das Foto zeigt Justin Bieber, wie er auf einer Straße läuft und lächelt. Er trägt eine weite, karierte Hose, einen übergroßen Pullover und eine Mütze.
Justin Biebers Karriere begann mit Coverversionen bekannter Songs auf Youtube. 2008 wurde Talentmanager Scooter Braun auf ihn aufmerksam und nahm ihn unter Vertrag. Foto: Shutterstock/Babak Rachpoot

Wieso verkaufen Musiker*innen wie zuletzt Justin Bieber immer häufiger ihre Musikrechte?

Die Corona-Pandemie spielt für viele Künstler*innen immer noch eine bedeutende Rolle. Nachdem ein Großteil ihrer Einnahmen durch Live-Konzerte wegfielen, sind viele Musiker*innen auf neue Einkommensquellen angewiesen. Folklegende David Crosby gab dies während der Pandemie auf Twitter sogar offen zu: „In Anbetracht der Tatsache, dass es uns im Moment nicht möglich ist, zu arbeiten, ist dieser Deal ein Segen für mich und meine Familie, und ich glaube, dass die Iconic Music Group für mich die beste Wahl ist“.

Die Ausschüttung der Tantiemen der Streaming-Dienste spielt zudem eine wichtige Rolle. Etwas weniger als ein Drittel des Streaming-Umsatzes behalten die Streamingdienste für sich, rund 55 Prozent gehen an die Musiklabels sowie die Interpret*innen. Jedoch bekommen die Labels davon circa 42 Prozent, der*die Musiker*in nur knapp dreizehn Prozent. Verständlich also, wenn viele Musiker*innen unzufrieden mit der Ausschüttung ihrer Gelder sind. Steuern spielen außerdem eine nicht unbedeutende Rolle. Popstar Justin Bieber muss für die einmalige Summe von 200 Millionen Dollar in Amerika einen geringeren Steuersatz zahlen, als wenn er diese Summe über mehrere Jahre einnimmt.

Dass vor allem ältere Künstler*innen ihre Rechte verkaufen, hat andere Gründe. Eine hohe Millionensumme lässt sich viel einfacher unter den Nachkommen aufteilen als ein Flickenteppich von Urheberrechtseinnahmen. Außerdem ist oftmals die Ausspielung auf Streaming-Plattformen mit den alten Verträgen nicht geregelt worden. Die Rechte gelten damit in diesem Bereich als nicht verkauft. Pink Floyd hatte dies bereits im Jahre 2010 mit einer Klage erwirkt.

Was erhoffen sich Labels und Investmentfirmen vom Erwerb von ganzen Musikkatalogen?

Der Gründer des Investmentfonds Hipgnosis Merck Mercuriadis bezeichnete Songrechte zuletzt als „so wertvoll wie Gold oder Öl“. Für Labels und Investmentfirmen sind Klassiker als Wertanlage besonders interessant. Bruce Springsteen konnte mit seiner Musik seit den 70ern bewiesen, wie langlebig sie ist. Dementsprechend hoch wurde auch sein gesamter Musikkatalog bewertet. Die Songs des 72-Jährigen sind bis dato Teil des teuersten Deals der Musikgeschichte. Ganze 500 Millionen Dollar waren dem Label Sony Music Songs wie „Born In The U.S.A.“ oder „Blinded by the Light“ wert.

Außerdem tauchen Klassiker oft auch in Film und Fernsehen auf . Der Rechteinhaber verdient am Beispiel Springsteens bei jedem Mal mit, wenn sein Lied „Streets of Philadelphia“ aus dem Drama „Philadelphia“ auf Netflix oder im Fernsehen zu sehen ist. Songs von Springsteen funktionieren zudem sowohl im Radio als auch auf Spotify. Justin Bieber hingegen ist gerade einmal 28 Jahre alt. Der Kauf des Katalogs eines derart jungen Künstlers ist ein Novum. 200 Millionen Dollar für einen Musiker, der seinen ersten Charterfolg 2009 feiern konnte, lässt sich als riskante Investition in die Zukunft sehen.

„Menschen hören Musik – egal, ob es ihnen gut geht oder sie mit schwierigen Situationen wie jetzt konfrontiert sind. Musik wird immer konsumiert.“

– Merck Mercuriadis in einem Fernsehinterview mit dem Wirtschaftssender Bloomberg
Das Foto zeigt Nile Rodgers und Merck Mercuriadis, die Arm in Arm für die Fotograf*innen posieren.
Merck Mercuriadis (rechts) war neben Beyoncé und Elton John auch der Manager von Nile Rodgers (links). Foto: Shutterstock/Kathy Hutchins

Der Investmentfond Hipgnosis

Der ehemalige Musikmanager Merck Mercuriadis gründete Hipgnosis im Jahr 2018. Nachdem die Investmentgesellschaft Blackstone 2021 eine Milliarde Dollar in den Fond von Hypgnosis steckte, folgten Käufe der Kataloge von Shakira, Blondie und den Red Hot Chilli Peppers. Mittlerweile gehören 780 Künstlerkataloge zu Hipgnosis. Wie Merck Mercuriadis angab, „sei das Ziel eines Tages ein Fünftel des gesamten Musikkatalogs weltweit zu besitzen“.

Um dieses Ziel zu erreichen, versucht man, sich den Künstler*innen anzupassen. Merck Mercuriadis gab an „zu versuchen nachzuvollziehen, was Künstler*innen über ihre Werke denken und wie sie verwendet werden sollten.“ Beim Verkauf des Katalogs wird vertraglich abgesichert, was mit der Musik erlaubt ist und was nicht. Die Musik soll nicht entgegen den Werten der Künstler*innen in beispielsweise Werbung, Film oder Fernsehen verwendet werden.

Dass Geld die Meinung über der Verwendung der eigenen Kunst aber durchaus verändern kann, bewies Folkmusiker Neil Young. 1988 sang er auf seinem Song „This Note’s For You“ noch gegen den kreativen Ausverkauf: „Ain’t singing for Pepsi / Ain’t singing for Coke / I don’t sing for nobody / Makes me look like a joke.“ 33 Jahre später verkaufte er 50 Prozent seiner Rechte für eine zweistellige Millionensumme an Hipgnosis.

Die Beatles stehen 1968 am Anfang der Pop-Geschichte – und mit ihnen die Frage, wem die Musik nach Veröffentlichung gehört.

Das Foto zeigt eine CD der Beatles.
Nach Schätzungen ihrer Plattenfirma EMI sind die Beatles mit mehr als einer Milliarde verkaufter Tonträger die erfolgreichste Band der Musikgeschichte. Foto: Shutterstock/Kraft74

Die Songrechte der Beatles.

Fünf Jahrzehnte, bevor 200 Millionen Dollar für die Musikrechte eines 28-Jährigen ausgegeben wurden, unterschrieben vier junge Musiker aus Liverpool einen Plattenvertrag. Dass John Lennon, Paul McCartney, Ringo Starr und George Harrison einmal berühmter als Jesus sein sollten, konnte noch keiner der Vier erahnen. Das erste Studioalbum „Please Please Me“ ging sofort auf die Eins und schnell füllten sich auch die Kassen der Bandmitglieder. Das sollte man zumindest denken, denn in Wahrheit blieb den Beatles pro verkaufter Platte nur ein einziger Penny. Die Beatles stehen 1968 am Anfang der Pop-Geschichte – und mit ihnen die Frage, wem die Musik nach Veröffentlichung gehört.

Ihr Manager Brian Epstein nutzte die Naivität der noch aufstrebenden Musiker aus und ließ sie einen schlecht datierten Vertrag unterschreiben. „John und ich wussten nichts über Musikrechte. Wir dachten wirklich, die Songs seien in der Luft und dass sie allen gehörten“, erklärte Paul McCartney in der Retroperspektive. Nach Epsteins frühem Tod verkaufte die Produktionsfirma die Rechte der Beatles, während diese sich 1968 zur Selbstfindung in Indien aufhielten.

Der Konflikt um die Rechte der Vier gilt als einer der Hauptgründe für das Aus der größten Band der Popgeschichte. Denn Paul McCartney schenkte dem nachfolgenden Manager, den sich der Rest der Gruppe wünschte, kein Vertrauen. Die Beatles waren Geschichte, nicht aber ihre Musik. Weltweit liefen Songs wie „Let It Be“, „Hey Jude“ oder „Here Comes The Sun“ im Radio rauf und runter. Labels erkannten auch auf Sicht das Potenzial der Songs und stritten sich jahrelang um ihre Rechte – bis sie 1985 bei Popstar Michael Jackson landeten.

Dieser erwarb die Rechte an 251 Tonaufnahmen der Liverpooler Band für 47,5 Millionen Dollar. Der Deal machte Michael Jackson zwar noch sehr viel reicher – beendete aber dessen Freundschaft zu Paul McCartney. Denn McCartney lernte aus der Vergangenheit und klärte den damals noch aufstrebenden Sänger über den Wert von Musikrechten auf. Michael Jackson verkaufte seine Anteile der Beatles-Rechte zehn Jahre später für den doppelten Preis weiter – nicht aber an McCartney, obwohl dieser über mehrere Jahre vergebens versucht hatte, seine Rechte zurückzuerlangen.

Heute gehören die Rechte der Beatles Sony Music. Wie lange diese aber noch im Besitz des Labels sein werden, bleibt offen. Denn Merck Mercuriadis bekannte zuletzt Interesse am gesamten Musikkatalog der Poplegenden.

„I’d love to own the Beatles.“

– Merck Mercuriadis gegenüber dem Telegraph, welche Musikrechte er in Zukunft noch erwerben möchte.

Autor: Moritz Steidl

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