Auf dem Foto ist ein ausgekipptes Glas mit Münzen zu sehen.

132 Länder kritisch verschuldet

Die Schulden ganzer Staaten

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Der aktuelle Schuldenreport 2021 von Erlassjahr und Misereor zeigt, dass die Corona-Pandemie auch wirtschaftliche Folgen hat. 132 Länder südlich von Deutschland leiden unter kritischen Schulden.

Die Corona-Pandemie hat die Menschheit im letzten Jahr begleitet. Die Krise hat sich nicht nur auf die Gesundheit ausgewirkt, sondern auch auf die Wirtschaft. Immer mehr Unternehmen melden Insolvenz an, weil sie die laufenden Kosten nicht länger tragen können. Dass aber ganze Staaten insolvent sind, ist uns in Deutschland fremd. In vielen Ländern im globalen Süden ist es allerdings bittere Realität.

132 Länder kritisch verschuldet

Das Bündnis Erlassjahr hat in ihrem jährlichen Schuldenreport speziell die Länder südlich von Deutschland untersucht. Zusammen mit dem Hilfswerk Misereor musste Erlassjahr feststellen, dass das Jahr 2021 ein harter Rückschlag für den Fortschritt vieler Entwicklungsländer war.

132 Staaten sind zum aktuellen Zeitpunkt kritisch verschuldet. Bei 21 Ländern davon kam es bereits zu Zahlungsausfällen. Eigentlich hatte Erlassjahr darauf gehofft, dass die Zahl der verschuldeten Länder im Jahr 2021 sinken würde. Das Gegenteil ist der Fall. Im Verlauf der letzten Monate kamen acht neue Staaten hinzu, die mit Schulden zu kämpfen haben.

Eine schnelle Entspannung der finanziellen Situation ist laut Kristina Rehbein aussichtslos. Sie ist eine politische Referentin von Erlassjahr und hat an dem Schuldenreport aktiv mitgearbeitet.

Nun waren die öffentlichen Sektoren auch schon vor der Rezession geschwächt und jetzt sehen sie sich einer hohen Schuldenbelastung, aber gleichzeitig deutlich schlechteren Wachstumsaussichten gegenüber. Das heißt, die Staaten haben kaum die Möglichkeit, aus eigener Kraft die notwenigen Stimuli bereitzustellen, die für die wirtschaftliche Erholung notwendig sind. Was wir also sehen, ist neben der unmittelbaren Gefahr von Covid-19 die akute Gefahr eines verlorenen Entwicklungsjahrzehnts.

Kristina Rehbein, politische Referentin von Erlassjahr

Arbeitslosigkeit steigt um das Doppelte

Ein Beispiel für ein Land, das es im letzten Jahr besonders schwer hatte, ist der Libanon. Im Hafen der Hauptstadt Beirut hat es Anfang August eine schwere Explosion gegeben. Dadurch wurden unter anderem auch zwei Krankenhäuser beschädigt, die eine gesundheitliche Versorgung während der Pandemie sicherstellen sollten. Das Land musste vor Ort viel investieren und rutschte so tief in die Schuldenkrise.

Die Folgen machten sich schnell bemerkbar. Michel Constantin schildert die Situation als Sachverständiger vor Ort:

Die Arbeitslosenrate ist von circa 20 Prozent im Jahr 2019, das war ja schon sehr hoch, gestiegen auf mehr als 45 bis 50 Prozent. Und diese Leute haben fast jegliches Einkommen verloren. Also Armut betrifft jetzt nicht nur wenige. Das ist nicht mehr nur eine Zahl. Wir sehen, dass Leute Probleme haben, sich zu ernähren.

Michel Constantin, Sachverständiger im Libanon von Misereor

Wie kann Deutschland helfen?

Die G20 Staaten haben ein Abkommen namens „Common Framework for Debt Treatments beyond the DSSI“ verabschiedet. In dieser Vereinbarung thematisieren die G20 die untragbaren Schulden einiger Staaten, die durch die Corona-Pandemie verursacht wurden. Als eines der einflussreichsten Mitgliedsstaaten des G20-Gipfels könnte die Bundesregierung ihr Mitspracherecht nutzen. Sie könnte sich für Schuldenerlasse und faire Staatsinsolvenzverfahren stark machen.

Kristina Rehbein erklärt, warum die Bundesregierung möglichst schnell handeln sollte:

Eine ähnliche Linie gab es in den 80er und 90er Jahren in der sogenannten Schuldenkrise der dritten Welt und diese Linie, die hat damals zu einem Teufelskreis aus immer wieder unzureichenden Umschuldungen und unzureichenden Teilerlassen geführt, was die Krise für alle Beteiligten teurer gemacht hat und vor allem in den Schuldnerländern zu Verarmung geführt hat. Die Folge wird sein, dass Millionen von Menschen nicht wegen eines Virus ihre Lebensgrundlage verlieren werden, sondern wegen der Unfähigkeit der internationalen Gemeinschaft, die nötige Unterstützung bereit zu stellen.

Kristina Rehbein, politische Referentin von Erlassjahr

Bislang hat die Bundesregierung nicht auf die Forderungen von Erlassjahr und Misereor reagiert. Der Schuldenreport 2022 wird dann zeigen, ob sich die Lage im Verlauf des nächsten Jahres verbessert oder verschlechtert.


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Autorin: Lisa-Marie Wala