Eine Frau ist rot bemalt und kniet auf der Straße, im Hintergrund stehen Menschen in einer Reihe und halten eine kolumbianische Flagge in der Hand.

Nationalstreik

Kein Frieden in Kolumbien

/ / Foto: David Guarín

Wütende Bürger*innen auf der Straße, Straßenblockaden, Polizeigewalt, mehrere Tote und Verletzte sowie Terror seitens bewaffneter Zivilist*innen. Das ist das, was Kolumbianer*innen seit Wochen erleben. Obwohl Kolumbien stark von der Pandemie betroffen ist, gibt es große Proteste in verschiedenen Städten.

Kolumbien steht seit einem Monat im internationalen Fokus, denn dort finden heftige Proteste statt. Der Auslöser war die Ankündigung einer Steuerreform der aktuellen Regierung vom Präsident Ivan Duque, welche die Bürger*innen in Kolumbien empört hat. Die Reform hätte die soziale Kluft in dem Land noch mehr verstärkter, denn die Regierung hätte damit die Mittelschicht anstatt die Spitzenverdiener versteuert sowie den Mehrwertsteuersatz von Grundnahrungsmitteln erhöht. Trotz des Rückzugs dieser Reform seitens der kolumbianischen Regierung gibt es immer noch Proteste. Warum?

Eine soziale Bombe in Kolumbien

Hinter den Protesten stehen andere strukturelle Probleme wie die soziale Ungleichheit, die während der Pandemie sichtbarer geworden ist. Andere Gründe für die Proteste sind beispielsweise die starke Repression durch die Polizei, die schlechte Verwaltung der Ressourcen seitens der Regierung, der Schutz für soziale Aktivist*innen, die Verbesserung des Gesundheitssystems sowie die Garantie für sichere Proteste. Da verschiedene soziale Akteure beteiligt sind, wurde ein nationales Streikkomitee gegründet, das diese Akteure vertreten soll.

„Derzeit existiert ein Nationales Streikkomitee, in dem sich wichtige Gewerkschaften wie Studierendenvertreter*innen, indigene Gemeinschaften sowie Landwirt*innen vereinen. Aber sie sind nicht die Einzige, die protestieren. Auch andere Bevölkerungsgruppe haben sich spontan beteiligt“, erklärte die Journalistin Laura Becerra im Interview.

Die Beteiligung dieser verschiedene Akteure macht es schwierig, dass die Regierung mit dem Streikkomitee zu einer Einigung kommt.

„Es sind so viele unterschiedliche Akteure auf der Straße, die für so unterschiedliche Dinge streiken und streiten, dass ich nicht glaube, dass die kolumbianische Regierung sich mit diesem Streikkomitee zusammensetzen kann. Und wenn es zu einer Einigung kommt, heißt das lange nicht, dass alle Gruppen (…) sich unter dieser Einigung vereinigen“, sagte der freier Journalist Stephan Kroenner im Interview.

Man sieht eine Straße in einer Stadt in Kolumbien. Dort laufen viele Menschen mit kolumbianischen Flaggen in der Hand.
Eine von vielen Demonstrationen in der Hauptstadt Kolumbiens, Bogotá. Foto: David Guarín

Die Polizeigewalt bei den Protesten

Laut der Menschenrechtsorganisation Temblores wurden circa 43 junge Erwachsene von der Polizei während der Proteste ermordet. Viele andere wurden verletzt oder sind verschwunden. Verantwortlich dafür soll vor allem die Spezialeinheit der Polizei ESMAD sein, die teilweise in europäischen Länder als Terrorgruppe eingestuft wird. So gibt es in der Polizei ein systematisches Problem.

„Die Polizei in Kolumbien untersteht nicht wie in Deutschland dem Innenministerium, sondern dem Verteidigungsministerium. Weil es eben eine Ersatz- oder Unterstützungseinheit für das Militär in bewaffneten Konflikten war, die gegen die Guerilla gekämpft haben, (…) haben das viele Polizist*innen im Kopf und sehen die Bürger*innen nicht als Bürger*innen, sondern als potentielle Gefahr“, erklärte Kroenner.

Ein Monat Proteste ohne politische Lösungen

Obwohl die kolumbianische Regierung bereit ist, einen Dialog mit dem Streikkomitee zu führen, gibt es bisher keinen Erfolg. Während Duque die Auflösung der Straßensperrungen fordert, sieht das Streikkomitee das als eine legitime Form zu protestieren.

„Deswegen ordnete der Präsident den maximalen Einsatz von Militär sowie Polizeikräften auf nationaler Ebene an. Das ist die Antwort der kolumbianischen Regierung, um die Ordnung des Landes aufrechtzuerhalten“, so Becerra.

Die Probleme bleiben und es sieht nicht so aus, als würde der Präsident Ivan Duque auf die Protestierenden zugehen. Daher hat das Streikkomitee wieder neue Mobilisierungen für Anfang Juni angekündigt.

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Autorin: Nicole Duarte.