
Album der Woche
Compilation „Wolf Biermann RE:IMAGINED – Lieder für jetzt!“
Alligatoah, Lina Maly und Ina Müller sind in unterschiedlichen Musikgenres unterwegs und doch sind sie jetzt auf einem Album vereint: auf der Compilation „Wolf Biermann RE:IMAGINED – Lieder für jetzt!“. Zum 88. Geburtstag des Liedermachers Wolf Biermann ist die Platte erschienen.
Wolf Biermann wächst als Sohn eines kommunistischen und jüdischen Arbeiters in Nazi-Deutschland auf. Mit 17 Jahren wandert er freiwillig in die DDR aus, wo er nach und nach zu einem Kritiker des Regimes wird. Er veröffentlicht Gedichte und Lieder, in denen er genau das ausspricht, was sich viele nicht trauen: Kritik an der DDR und dem Regime. Deswegen wird ihm 1965 verboten, etwas zu publizieren oder aufzutreten. 1976 folgt die nächste Stufe: Er wird ausgebürgert.
Einst hatte Bertolt Brecht das Wort „Stückeschreiber“ kreiert. Daran angelehnt erschuf Wolf Biermann für sich selbst die Bezeichnung „Liedermacher“. Laut Biermann „machen Liedermacher nicht Geschichte, sondern die Geschichte macht sich Liedermacher.“ Konkret formulierte er es mal so:
„Die wachsen in lebendigen Zeiten, wo viel los ist. Wo viel Blut fließt oder wo viel geweint oder gelacht wird.“
– Wolf Biermann
Besonderes Geburtstagsgeschenk
Biermanns Frau Pamela Rüsche hatte die Idee, dass man die Songs von ihrem Mann neu interpretieren könnte. Der Produzent Johann Scheerer setzte es gemeinsam mit 22 verschiedenen Musiker*innen um und so ist am 88. Geburtstag von Wolf Biermann das Album „Wolf Biermann RE:IMAGINED – Lieder für jetzt!“ erschienen. Auf der Platte finden sich Newcomer*innen wie Betterov, aber auch Musiklegenden wie Wolfgang Niedecken. Folgende Künstler*innen haben sich an dem Projekt beteiligt:
- Moritz Krämer
- MOLA
- Haiyti
- Jan Plewka und Die schwarz-rote Heilsarmee
- Alligatoah
- Balbina
- Romano
- Das Bierbeben
- PeterLicht
- Lina Maly
- Ina Müller
- Albrecht Schrader und Charlotte Brandi
- VAN HOLZEN
- OK KID
- Betterov
- Bonaparte
- Katharina Franck und Paul Eisenach
- Maxim
- Torch
- Annett Louisan
- Wolfgang Niedecken
- Meret Becker
Texte immer noch aktuell
Katharina Franck ist Ende der 80er mit ihrer Band Rainbirds bekannt geworden. Mittlerweile ist sie vor allem als Solokünstlerin unterwegs. Von Wolf Biermann hat sie sich den Song „Ballade vom preußischen Ikarus“ ausgesucht und zusammen mit Paul Eisenach neu interpretiert.
„Wolf Biermanns Texte, vor allen Dingen aber die Musik, sind aktueller denn je, was schade ist, denn die Gesellschaften scheinen gerade kollektiv eine Rolle rückwärts zu machen. Es ist unheimlich wichtig, daran zu erinnern, dass alles schon mal da war, dass es nicht besser war und dass es nicht gut ist, in alte Zeiten zurückzugehen. Wolf Biermann hat es mit seiner klaren, deutlichen, rotzfrechen, starken und mutigen Sprache alles schon erzählt.“
– Katharina Franck
Auch Florian Kiesling, Sänger der Rockband VAN HOLZEN, sieht es ähnlich wie Katharina Franck: „Man muss sich einfach mal seine Texte durchlesen. Sie lesen sich wie aus dieser Zeit geschrieben. Vor allem ‚Wann ist denn endlich Frieden?‘, den wir covern, passt leider perfekt in unsere Zeit.“ Kiesling nennt Biermanns Texte „zeitlos“.
Berührend und rotzig
Fast alle Künstler*innen erwähnen, wie wichtig und zeitlos die Songs von Biermann sind. Singer-Songwriterin Lina Maly nennt noch einen weiteren Grund, warum die Songs so beliebt sind: „Als ich mich mit dem ganzen Repertoire von Wolf Biermann auseinandergesetzt habe, ist mir eins ganz besonders aufgefallen und zwar, wie sehr mich seine Texte berühren.“ Lina Maly covert auf dem Album „Das Barlach-Lied“.
Der Musiker Maxim hat zwar nach fast 20 Jahren im Musikbusiness im März 2024 sein Karriere-Ende bekanntgegeben, aber er hat es sich nicht nehmen lassen, bei dem Projekt mitzumachen. Er hat sich die „Bilanzballade im dreißigsten Jahr“ vorgenommen.:
„Ich glaube, der Song ist immer noch aktuell, textlich und auch musikalisch. Er tritt nach oben. Das finde ich generell gut bei Musik. Ich finde ihn rotzig – das gefällt mir, auch wenn nicht alles so clean und poliert ist wie das heute teilweise der Fall ist.“
– Maxim über die „Bilanzballade im dreißigsten Jahr“
Das Album besteht aus zwei Teilen. Auf der ersten Seite befinden sich alle Neuinterpretationen und auf der zweiten gibt es die Originalversionen von Wolf Biermann. Anfangs war der 88-Jährige von dem Album nicht überzeugt, aber mittlerweile gefällt ihm das Projekt: „Es ist keine Beraubung für mich, sondern eine Bereicherung.“
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